Haben Sie sich jemals gewünscht, jemand hätte Ihnen etwas im Voraus gesagt? Waren Sie schon mal frustriert, weil Sie einfach nicht nachvollziehen konnten, warum bestimmte Dinge auf eine bestimmte Weise existieren? Der Begriff „größere Renovierung“ aus einer EU Richtlinie vereint diese beiden unerfreulichen Erfahrungen. Planen Sie eine thermische Sanierung? Dann sollten Sie ihn kennen.
Zunächst einmal handelt es sich um einen Begriff aus der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Er beschreibt eine umfassende, thermische Sanierung eines Gebäudes und definiert (mehr oder weniger genau) wann diese vorliegt. Die größere Renovierung ist bedeutend, weil seit 2010 gewisse Anforderungen an sie geknüpft sind. Es ist somit wichtig zu wissen, ob beim eigenen Sanierungsvorhaben eine größere Renovierung vorliegt. Die EU Richtlinie gibt bei der Definition des Begriffes zwei Möglichkeiten an, wovon sich die Mitgliedsstaaten einen aussuchen müssen. In Österreich hat man sich für folgende Definition entschieden: „Renovierung, bei der mehr als 25 % der Oberfläche der Gebäudehülle einer Renovierung unterzogen werden […]“ (Quelle: OIB-Richtlinien, Begriffsbestimmungen, 2019). Wobei die Oberfläche der Gebäudehülle nach der ÖNORM B 8110-6-1 definiert ist und die Fläche der konditionierten Gebäudehülle gemeint ist. Klingt kompliziert und das ist es auch etwas. Schauen wir uns die konditionierte Gebäudehülle also in einem Beispiel genauer an.
Nehmen wir an, jemand möchte bei seinem/ihrem Einfamilienhaus zwei Außenwände dämmen. Wie finden wir nun heraus ob damit eine größere Renovierung vorliegt? Die untenstehende Grafik illustriert die Vorgehensweise.
Dieses Beispiel zeigt, wie sich die konditionierte Gebäudehülle eines fenster- und türlosen Hauses zusammensetzt. Sie besteht aus den Außenwänden, der Decke zum Dachraum und dem erdanliegenden Boden, also aus der Hülle, die den konditionierten von dem unkonditionierten Bereich und der Außenwelt abgrenzt. Die Fläche dieser Hülle ist die konditionierte Gebäudehülle. Wenn davon nun 25 % saniert werden, liegt eine größere Renovierung vor. In Realität ist die Berechnung etwas komplizierter. Würde sich beispielsweise in einer der sanierten Wände ein 1 m² großes Fenster befinden, dann wäre die sanierte Fläche schon um eben diesen Quadratmeter kleiner, sofern das Fenster nicht auch erneuert wird. Des Weiteren fehlen in diesem Beispiel sämtliche Innenwände, welche jedoch normalerweise auf die konditionierte Gebäudehülle keinen Einfluss nehmen. Eine Ausnahme stellen unbeheizte Innenräume dar. Wie Sie anhand der untenstehenden Abbildung erkennen können, verändert ein unkonditionierter Innenraum (zb. Speis) die Zusammensetzung der konditionierten Gebäudehülle.
Anhand des obigen Beispiels lässt sich eine Sache ganz klar feststellen: Es ist nicht schwer mehr als 25 % der konditionierten Gebäudehülle zu sanieren. Bereits zwei Außenwandflächen zu dämmen hat ausgereicht.
Es liegt also eine größere Renovierung vor, womit auch die daran geknüpften Anforderungen gelten. Das bedeutet im Klartext, dass das Gebäude nach der thermischen Sanierung folgende Kriterien erfüllen muss:
Diese Kriterien gelten unabhängig vom Zustand des Gebäudes vor der Sanierung und sind mittels Energieausweis nachzuweisen. Es ist also irrelevant ob das Haus davor sehr schlecht oder bereits recht gut isoliert war. Obendrein sind diese Anforderungen sehr hoch angesetzt. Greifen wir zur Veranschaulichung nochmal auf das zuvor beschriebene Haus zurück. Gehen wir davon aus, dass das Haus im Jahre 1975 erbaut wurde. Die Aufbauten entsprechen dieser Zeit:
Als Heizsystem können wir einen Brennwert Gaskessel aus den frühen 2000ern hernehmen. Wir gehen also davon aus, dass das ursprüngliche Gerät, sowie der Warmwasserboiler, um 2000 herum erneuert wurde. Ich habe außerdem noch eine normale Anzahl und Ausführung an Fenstern angenommen. Folgende Maßnahmen müssten nun umgesetzt werden, um die Anforderungen an eine größere Renovierung zu erreichen:
Damit gelingt es die Anforderungen gerade so zu erreichen. Das obwohl diese Maßnahmen den Heizwärmbedarf um ganze 73 % senken würden. Aus dem ursprünglichen Vorhaben zwei Außenwände zu sanieren, wurde eine Vollsanierung. Lediglich den erdanliegenden Boden konnte ich auslassen, worauf ich abgezielt habe, da diese Sanierung in der Praxis sehr kostenintensiv ist. Der gute Gaskessel hat viel geholfen. Würde es sich stattdessen um einen ein paar Jahre älteren Niedertemperatur Gaskessel handeln, müsste man den Boden ebenfalls sanieren oder ein hocheffizientes Heizsystem (zb. Wärmepumpe) einbauen. Sie sehen also, die Anforderungen der größeren Renovierung haben es in sich.
Es gibt glücklicherweise eine gesetzlich vorgesehene Möglichkeit um die größere Renovierung zu umgehen. Wenn die Kosten für die geplante Sanierung geringer als 25 % des Gebäudewertes (exkl. Grundstückswert) sind, dann muss man die beschriebenen Anforderungen nicht erfüllen. Sprich, wenn die Gesamtkosten für die Sanierung der zwei Außenwände bei unserem Beispielhaus 25 % oder weniger ausmachen als das Haus vor der Sanierung wert ist, gilt es nicht als größere Renovierung. In diesem Fall ist es sehr wahrscheinlich, dass sich so verhindern lässt, dass die Anforderungen erfüllt werden müssen. Für den Nachweis kann der Versicherungswert oder der Wert auf Basis der Neuerrichtungskosten herangezogen werden.
Leider ist das in vielen Fällen nicht möglich. Denn es werden, wenig überraschend, vor allem alte Gebäude saniert, welche zumindest am Papier meistens nicht mehr viel wert sind. Zudem tritt das herangezogene Beispiel selten auf. Wahrscheinlicher ist es, dass zb. die Sanierung aller Außenwände und der Einbau einer Wärmepumpe bei einem alten Einfamilienhaus geplant ist. Die Kosten dafür übersteigen dann den 25 prozentigen Wert des Gebäudes deutlich. Trotz großflächiger thermischer Sanierung werden die Anforderungen nicht erfüllt und es muss mehr umgesetzt werden als geplant und budgetiert war. Die Regelungen zur größeren Renovierung sind leider rigoros und lassen kaum Spielraum. Die geplante Sanierung muss nicht einmal sehr umfassend sein und dennoch greifen, sobald man eine gewisse Größe überschreitet, sehr hoch angesetzte Anforderungen, völlig unabhängig vom aktuellen Zustand des Gebäudes. Das führt im schlimmsten Fall dazu, dass die Eigentümer gar nicht sanieren, weil sie die Kriterien nicht erfüllen können.
Diese Richtlinie ist herausfordernd. Doch wir stehen Ihnen gerne zur Seite, um Sie bei der Planung Ihrer größeren Renovierung zu unterstützen! Wir haben inzwischen viele Erfahrungen mit dieser Richtlinie gemacht und wissen daher, an welchen Schrauben man in verschiedenen Szenarien im Energieausweis drehen kann, um den Anforderungen gerecht zu werden. In den meisten Fällen macht vor allem die Gesamtenergieeffizienz Probleme. Hier haben wir bewährte Strategien entwickelt, um diese zu verbessern. Dazu gehören auch kleinere aber effektive Sanierungsmaßnahmen, wie beispielsweise das Isolieren von Wärmeleitungen. Zudem können wir Ihnen mittels detaillierter Berechnung bestimmter Faktoren helfen die Effizienz oder den Heizwärmbedarf zu verbessern.
Planen Sie gerade eine thermische Sanierung? Dann kontaktieren Sie uns hier! Wir helfen Ihnen bei der Planung gerne aus und informieren Sie zusätzlich über mögliche Förderungen! Denn immerhin, mindestens ein Gutes hat die größere Renovierung: Mehr Sanierung = Mehr Förderung!